Theorie

„Wir werden sogar mit Sicherheit dahin gelangen, dass zu Recht die Frage gestellt wird, ob es noch immer nützlich und richtig ist, mehr Güter und mehr materiellen Wohlstand zu erzeugen, oder ob es nicht sinnvoller ist, unter Verzichtsleistung auf diesen Fortschritt mehr Freizeit, mehr Besinnung, mehr Muße und mehr Erholung zu gewinnen.” (Ludwig Erhard)

Diese Argumente von Ludwig Erhard standen am Anfang der Suffizienz-Diskussion in den 1970er Jahren, die den materialistischen Lebensstil kritisierte und einen Wertewandel forderte. Einen wichtigen Ausgangspunkt stellt dabei die Veröffentlichung der „Grenzen des Wachstums“ durch den Club of Rome 1972 dar. In diesem Buch hatten verschiedene Szenarien einer Modellierung den Zusammenbruch der auf Wachstum ausgerichteten Zivilisation innerhalb des 21. Jahrhunderts wegen Übernutzung der natürlichen Ressourcen zur Folge. Weitere Veröffentlichungen wie „Small is Beautiful“ von Ernst Friedrich Schumacher oder „Voluntary Simplicity“ von Duan Elgin beschäftigten sich in den folgenden Jahren mit anderen Formen des Wirtschaftens, die auf anderen Werten als dem Materialismus westlicher Gesellschaften ausgerichtet waren.

Die Diskussion wurde durch die sich formierende Umweltbewegung aufgegriffen. Der Fokus lag in diesen Jahren stark auf dem Individuum, das aus Einsicht freiwillig den persönlichen Lebensstil ändern würde. In den vergangenen Jahren wurde Suffizienz intensiver weiterentwickelt, da sich zeigte, dass technische Lösungen (Effizienz und Konsistenz) gegen den Klimawandel und die Ressourcenknappheit nicht ausreichen. So zeigte Tim Jackson in „Wohlstand ohne Wachstum“, dass es wegen Rebound– und Backfire-Effekten bisher nicht möglich war, durch Effizienz- und Konsistenzmaßnahmen eine absolute Reduktion des Ressourcenverbrauchs bei gleichzeitigem Wirtschaftswachstum zu erreichen.

Der Begriff Suffizienz geht auf „sufficere“ zurück und kann übersetzt werden mit „ausreichen“, „genügen“ oder „genug“. Thomas Princen spricht in “The Logic of Sufficiency“ auch von „enoughness“. Für ihn stellt Suffizienz ein Prinzip der Nachhaltigkeit dar, an dem sich Entscheidungen orientieren sollten. Mit dem Fokus auf die absolute Größe des „Genug“ stellt Princen einen Widerspruch zum Effizienzstreben fest, welches darauf ausgerichtet ist mit minimalem Aufwand das Maximum (z.B. an Ressourcennutzung) zu erreichen.

Basierend auf einer Skepsis an einem konsum- und wachstumsorientierten Lebensstil und den damit verbundenen Umwelt- und Ressourcenproblematiken wurden in den vergangenen Jahren vielfältige Suffizienzansätze entwickelt. Auf den folgenden Seiten sind die entwickelten Theorien, die Definition im Projekt Energiesuffizienz, erste Ansätze von Suffizienzpolitik und zugehörige Literatur zusammengefasst.