Suffizienz-Definitionen

In der gegenwärtigen wissenschaftlichen Diskussion der Suffizienz sind zwei Strömungen erkennbar, die zwar Überschneidungen aufweisen, aber von unterschiedlichen Ausgangsannahmen ausgehen.

Zum einen gilt Suffizienz als Lebensstil und Weltanschauung. Die Ausgangskritik richtet sich an herrschende Normen und Werte, im wesentlichen den Materialismus und das reduktionistisch mechanistische Weltbild. Die Autor*innen kritisieren die Fixierung auf materialistische Bedürfnisbefriedigung und stellen dieser die Betonung der Förderung von kreativem Schaffen (z.b. Musik, Kunst etc.) in einer solidarischen Gesellschaft gegenüber. Dazu wird ein grundlegender Wandel in Werten und Normen, sowie dem Denken vorausgesetzt, der unter anderem im Potsdamer Manifest festgehalten wurde.

Daneben gibt es eine Strömung, die mit Eco-Suffizienz bezeichnet werden könnte. Der Ausgangspunkt hierbei ist die Feststellung einer Übernutzung der Ressourcen und Senken der Erde und die Annahme, dass diese Übernutzung nicht durch technologische Innovationen gelöst werden kann. Der Fokus wird also auf eine mögliche Obergrenze der Ressourcennutzung und einer global gerechten Menge an nutzbaren Ressourcen gelegt.

So unterschiedlich die Ausgangspunkte der verschiedenen Suffizienztheorien sind – Ökologie (z.B. Manfred Linz), Ressourcenknappheit (z.B. Niko Paech), Zeit (z.B. Hartmut Rosa), so liegt die Gemeinsamkeit im Zweifel an rein technischen Lösungen und einer Hinterfragung des Bedarfs. Dabei werden weniger die Bedürfnisse an sich als die Mittel zu Bedürfnisbefriedigung hinterfragt, aus denen sich die Bedarfe ergeben. Nach dem Ansatz der neoklassischen Ökonomie werden die soganannten „preferences“ als gegeben angesehen. Damit werden Bedürfnisse mit den Mitteln der Befriedigung gleich gesetzt und nicht als wichtiger Punkt der Betrachtung angesehen. Manfred Max-Neef hat im Gegensatz dazu in „Human Scale Development“ einen Ansatz geliefert, die Mittel zur Bedürfnisbefriedigung zu analysieren.

Mit Blick auf Suffizienz geht es also um eine Hinterfragung der Bedarfe und der Mittel zur Bedürfnisbefriedigung. Wolfgang Sachs hat hierzu mit seinen „vier E“ (Entschleunigung, Entrümpelung, Entkommerzialisierung, Entflechtung) eine Orientierung für Suffizienzstrategien gegeben. Unter dem Menüpunkt Praxis finden sich hierzu zahlreiche Beispiele, wie dies im Alltag in einigen Bereichen heute schon praktiziert wird oder aussehen könnte.

Doch an dem Prinzip der Suffizienz können auch Entscheidungen, Handlungen, politische Gestaltungsoptionen und das Setzen von Rahmenbedingungen (Zahrnt & Schneidewind) sowie das Unternehmenshandeln (Beispiele in „The Logic of Sufficiency“) ausgerichtet werden.

Das Prinzip der Suffizienz ist jedoch in wesentlichen Punkten mit der heutigen auf Wachstum des Materialkonsums ausgelegten Wirtschaft und Gesellschaft nicht oder nur schwer vereinbar. Daher gilt es, Einstiegsoptionen für eine Transformation zu finden. Diese finden sich heute vor allem noch bei Gruppen wie Transition Town und anderen (s. Praxis). Doch noch werden suffizientere Lebensstile innerhalb der heutigen Gesellschaft durch kontraproduktive Stadt- und Regionalplanung, Infrastrukturen, Produktgestaltung sowie fehlende oder zu teure Dienstleistungsangebote verhindert oder erschwert. Deshalb kann und sollte Suffizienz nicht Sache des Einzelnen bleiben, sondern muss auch politisch ermöglicht werden. So ist auch die Politik ins Blickfeld gerückt, um Menschen zu suffizienteren Lebensstilen zu bestärken und diese zu ermöglichen und nicht die Verantwortung dem Einzelnen zu überlassen (s. Suffizienzpolitik).